Als Einstand nach der langen Sommerpause, die vor allem durch einen Umzug initiiert war, habe ich nach all den Kurskapriolen, einen kleinen Beitrag zu der echten Verwendungen von Kryptowährungen im Petto. In der Mache sind gleich mehrere eher technische Artikel die sich auf die Bewertung von ICOs beziehen, auf die Grundlage von Kryptografie, verteilten Anwendungen und spannende Idee für Absicherung von Wallets. Allerdings frisst die Hintergrundrecherche hier deutlich mehr Zeit als gedacht, weswegen ich mit einer spannenden Vorstellung eines Beschlusses aus einer meiner Lieblingsstädten starten möchte: Wien.

Günstiger Essen als Stadtbediensteter

Wien ist eine Stadt die seit vielen Jahrzehnten fest in der Hand der Wiener SPÖ ist. Wenn man sich die politische Lage in Europa so ansieht, kann man meiner Meinung nach, kaum abstreiten, dass die Sozialdemokratie aus der Mode gekommen ist. Im Falle von Wien gibt es jedoch sehr viele sozialpolitische Akzente die das Leben der Stadtbewohner günstiger und einfacher machen sollen. Neben den Sozialwohnungen, Förderungen von Kulturfahrten von Grundwehrdienern, Förderungen von Kindergärten, etc. gibt es auch Essensmarken für Stadtbedienstete.

Diese sind nicht mehr als kleine bedruckte Papierstücke die man für sein Essen statt Geld ausgeben kann.

Ethereum als technisches Fundament für Essensmarkerl

Die Stadt Wien hat 2018 beschlossen, eine App einzuführen die, die kleinen Zettel ablösen soll. Das spannende dabei ist, dass hier schon sehr aussagekräftige (wenn auch oberflächliche) Beschreibungen der Funktionalität und Architektur auf der OpenData-Seite der Stadt Wien zu finden sind.

Ziel und Sinn ist es, den mehrstufigen Prozess vom Aushändigen des Gutscheins bis zum Bezahlen des Lokals zu vereinfachen. Denn hinter so einem Essensmarkerl (wie es in Wien heißt) steckt mehr als man glauben möchte:

  1. Essensmarken werden an Bedienstete ausgehändigt
  2. Bediensteter geht essen und zahlt mit Marken
  3. Buchhaltung des Lokals muss Marken bei Stadt Wien geltend machen
  4. Stadt Wien prüft ob Lokal den Förderbetrag überwiesen bekommen soll und überweist gegebenenfalls.

Vor allem Schritt 3) und 4) sind sehr arbeitsintensiv obwohl es in einer ordentlichen Supply-Chain-Lösung automatisierbar wäre. Zu meiner Verblüffung ging die Stadt Wien her und beschloss tatsächlich ein Pionierprojekt um das auf einer selbst gehosteten bzw. privaten Ethereum-Blockchain-Basis umzusetzen.

Grafikquelle: OpenData-Seite der Stadt Wien

MyEtherWallet, ERC20 und Blockchain-Explorer im Staatsdienst

Das spannende dabei ist, das hier ein Verwaltungsbetrieb einer Stadt mit über 2 Millionen Einwohnern vormachen könnte, wie Open Source und Kryptowährungen genutzt werden können um eine Verwaltungsaufgabe günstiger und einfacher zu machen.

In diesem Falle sollen folgende Open Source Programme verwendet werden:

Daneben wird für die Abbildung der Essensmarkerl-Token ein ERC20-Smart-Contract auf der privaten Ethereum-Instanz verwenden. Der ERC20-Standard ist eine Schnittstellendefinition die vorgibt wie sich ein Token verhalten soll. Ähnlich wie bei der Schnittstellendefinition eines Autos das mir Bremspedal, Gaspedal, Kuppelpedal, Lenkrad, Schaltknüppel, etc. vorgibt, schwankt die Fähigkeit des jeweiligen Vehikels gewaltig. Kurz gesagt: Es ist sehr nützlich so eine Definition zu haben, das sagt allerdings nichts aus ob ich in einen alten Trabi einsteige oder eine BMW Luxuslimousine.

Diese Informationen der Architektur kratzen natürlich nur an der Oberfläche, sind jedoch vielversprechend. Denn anstatt eines schwindligen ICOs handelt es sich bei diesem Ethereum-Einsatz um sehr bodenständige und handfeste Problemlösung.

Wo Licht, da Schatten

Gerade in der Kryptoszene gibt es natürlich viele Personen die meinen, Kryptowährungen hätten immer Public Blockchains zu sein. Die Argumentation ist verständlich, da sie auch kongruent mit der Philosophie des Cypher-Punks ist.

In diesem Fall handelt es sich natürlich um eine private Blockchain die statt Mining auf Proof of Authority setzt. Es bestimmt also die Stadt Wien was gültig ist und was nicht. Damit ist dies trotz aller Blockchain- und Open-Source-Software eine zentralisierte Anwendung. Damit ist es weit weg von einer Public Chain die völlig dezentral und sicher vor Staatszugriff ist.

Da es sich in diesem Fall um Essensmarken handelt, die barem Geld entsprechen, das die Stadt Wien aushändigen muss, sehe ich in diesem Fall kein gröberes Problem.

Wie heißt es so schön? Wer zahlt, schafft an.

Smart Contracts abseits von Scamming

Smart Contracts stehen im Verruf sinnlose Auswüchse von Feature-Itis zu sein. Kritiker wie zB. die geschätzten Kollegen des Leibziger Hohnigdachs-Podcasts werden nicht müde darauf hinzuweisen, dass alle Coins neben Bitcoin mehr oder weniger Test-Nets und Shitcoins wären.

Die erfolgreiche Umsetzung solcher Projekte könnte solche Bitcoin-Maximalisten durch produktive Wertschöpfung Lügen strafen.

Die Quelle für das Titelbild des Beitrags (Rathaus Wien) ist Wiki-Media: Wien_Rathaus_Hochauflösend

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