Gestern bin ich über einen Reddit-Post gestolpert, in dem der Autor die Geschichte seines Vermögenverlusts erzählt. Der Mann, dessen Selbstmitleid auch aus einem kurzen Youtube-Video tropft, erzählt über ein paar wenige Absätze hinweg wie er in eine Spirale aus Panik und Verlustangst stolperte und so schlussendlich 18.000 kanadische Dollar verlor. Zuerst waren es normale Kursschwankungen und anschließend Ponzi-Schemes, die dem Mann sein Geld nahmen.

Es ist nicht klar, ob der Autor tatsächlich so aufmerksamkeitsbedürftig ist oder ob es sich um einen Scammer handelt, der das Mitleid anderer ausnützen möchte um Cryptos abzustauben. Allerdings ist die Geschichte so oder so glaubhaft.

Ignoranz und Arroganz kosten Geld

Allerdings, wer lässt sich schon so über‘s Ohr hauen? Das passiert ausschließlich Dummköpfen!

Ich bin nach wie vor dieser Überzeugung. Allerdings habe ich etwas erkannt: Die Idee, dass man immer, überall und in jedem Zustand, völlig klar im Kopf ist, ist illusorisch.

In meinem Fall war diese Arroganz und die Ignoranz dem Verkaufsgeschick von Druckverkäufern gegenüber, 200 USD teuer.

Während eines Karibikurlaubs, bereits angeschickert – wenn nicht ein wenig mehr – schlenderte ich nach dem Abendessen mit meiner Freundin durch die Anlage. Einige Wanderverkäufer stellten gerade ihre Stände auf. Die perfekte Gegelegenheit billigen Tand als Mitbringsel zu kaufen. Da es noch kurz dauerte, konnte man sich in der Zwischenzeit noch einen Cocktail genehmigen.

Als wir dann durch das Spallier der Verkaufsstände flanierten, fiel mir ein Stand mit Holzanhängern auf. Daneben befand sich ein Rumstand.

Mein Interesse fiel sofort auf einen alten Rum und ein paar Holzspielsachen. In dem Moment sprachen dann gleich mehrere Dinge gegen mich:

  • Ich war betrunken.
  • Ich musste von USD auf EUR umrechnen. Zu meinem Pech hatte ich auch noch die Landeswährung einstecken, die ich noch loswerden musste.
  • Ich hatte und habe nicht viel Ahnung von Rum. War aber so eingewickelt von der etwas unterwürfigen Art des Verkäufers, dass ich das nicht zeigen wollte.

Lange Rede kurzer Sinn: Ich habe ca. 260 USD für zwei Flaschen Rum und ein paar Anhänger mit geschnitzten Holzfiguren ausgegeben. Warenwert ca. 60 USD.

Am nächsten Tag beim Frühstück, als wir zusammenrechneten wieviel denn das nun tatsächlich gekostet hatte, wies mich meine Freundin freundlich aber bestimmt daraufhin, dass der dunkelhäutige Mann mit dem breitem Grinsen, ein sehr gutes Geschäft gemacht hatte.

Das Tier im Manne

Freud hat in Das Unbehagen der Kultur geschrieben, dass der Mensch sein Leben grundsätzlich an zwei Absichten ausrichtet:

  • Lustgewinn
  • Leidvermeidung

Welche dieser Absichten die wichtigere Rolle im eigenen Leben spielt, ist eine Temperamentfrage und nicht generell zu beantworten. Zu wissen welcher dieser Motivationen man eher zugeneigt ist, ist wichtig.

Ein guter Verkäufer versucht dies im Gespräch zu erfragen und daran fest zu machen wie er den Nutzen seiner Produkte präsentiert. In Wien gibt es das Sprichwort „Die Gier ist ein Hund.“, welches meint, man weiß nie, wie es einen packt, man weiß allerdings, dass es jederzeit passieren kann.

Zb. Bitconnect, das als Pyramidensystembetrug verschrien ist, versucht mit astronomisch hohen Renditversprechungen seine Opfer anzulocken. Das ist einfach und effektiv. Da sowohl der Lustsuchende wie auch der Leidvermeider angezogen wird: Hohe Rendite der eigenen Investition hat viel lustvolles. Gleichzeitig, ist die Angst etwas zu verpassen (FOMO) ein scheußliches, panikartiges Gefühl. Um bei der Terminologie von
Freud zu bleiben: Das Es schaltet das Ego aus und übernimmt mit niederen Trieben. Von rationalen Überlegungen ist da weit und breit nichts zu sehen.

Reflexion und Bescheidenheit als Gegenmittel

Ich persönlich, habe erst dieses Jahr begonnen mich mit Kryptowährungen zu beschäftigen. Anfang März fing ich an mich für Ethereum zu interessieren. Mir war sofort klar, dass die technische Grundlage tragfähig ist und das Potential – zumindestens für mich – unabschätzbar groß ist.

Also dachte ich mir: Ich kauf mir einmal 3 Ether. Das sind weniger als 150€, wenn die weg sind ist‘s auch nicht so schlimm.

Als ich dann began mich bei den Portalen anzumelden und zuerst an den unfreundlichsten Mitarbeitern der Welt scheiterte (Thanks, IDNow) um meinen Account zu verifizieren, gingen noch Monate in‘s Land befor ich für den ersten Kauf bereit war. Als ich dann endlich kaufen konnte, war der Kurs bereits bei 150€ pro Ether.

Dieses Gefühl, da jetzt nicht dabei zu sein, war furchtbar. Ich hatte den Impuls sofort all mein Geld hinein zu pumpen. Ich widerstand. Auch wenn ich den Impuls noch hatte als der Kurs bei über 300€ war und in vielen Online-Medien von kurzfristigen Kursen jenseits der 800 USD die Rede war.

Da lernte ich: FOMO und das Bedürfnis bei steigenden Kursen nachzukaufen ist sehr stark in mir.

Als die Kurse dann fielen und auch manche meiner Käufe deutlich ins Minus rutschten (double-digit shrink), lies mich das völlig kalt.

Ich hatte mir von Anfang an die Regel gesetzt stur nach meinem monatlichen Investmentplan zu kaufen und frühestens in fünf Jahren zu verkaufen. Das Geld, welches ich monatlich einsetze ist Spielgeld. Wenn es weg ist, ist es weg. Kryptos sind hochspekulativ und sollten meiner Meinung nach nicht die Basis für die eigene Vermögensanlage sein. Das war mir von Anfang klar.

Da lernte ich: Fallende Kurse sind mir egal. Diese Signale finden keine Leiterbahnen in mir.

Für mich war wichtig, dass ich mir jedes Mal vor einem Kauf über meine aktuelle Gefühlslage klar wurde und überlegte wo diese Emotionen her kamen. Denn gerade als die Kurse hochschossen, waren die Emotionen sehr stark und die Überlegung da nicht nur Spielgeld einzusetzen groß.

Wissen über den eigenen Geist

Jordan B. Peterson, hat in einem Interview gesagt, dass das geordnete, zivilsierte Verhalten von Menschen nicht der Naturzustand sei. Es ist viel mehr ein Wunder, dass es möglich war, so viele Faktoren in einen optimalen Zustand zu bringen, damit alltägliche Probleme mit klarem Kopf anstatt des Faustkeils gelöst werden. Das Trivialbeispiel ist, dass ein fallender Blutzuckerspiegel das Aggressionspotential anheben kann. Umgangsprachlich auch hangry genannt.

Umso mehr man über solche psychosomatischen aber auch psychischen Zusammenhänge weiß, umso besser kann man sich gegen irrationale Impulshandlungen schützen.

Einen sehr interessanten Überblick über solche psychologischen Mechanismen, gerade puncto Investing, bietet der Finanzwesir rockt Podcast mit Folge 41.

Sehr empfehlen kann ich – auch unabhängig von Investing – die Folge 98 des Jocko Podcasts. Ein Podcast über Führung und Disziplin eines ehemaligen Navy-Seal-Kommandanten. In Folge 98 hat Jocko Jordan B. Peterson zu Gast und spricht mit ihm über Disziplin und welche Lebensweise den eigenen Geist stark und resilient macht

Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, wie Jocko Willink in seinem Buch Extreme Ownership(Werbelink)seinen Problemlösungsansatz erklärt. Der Mann erklärt darin den wortwörtlich kampferprobten, Ansatz sich aus seinem Körper heraus zu denken um die Situation aus der Vogelperspektive zu beurteilen. Klingt leichter aber auch esoterischer als es in der Praxis ist.

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Der Populärphilosoph Richard David Precht lieferte mit seinem Buch Wer bin ich – und wenn ja wie viele?(Werbelink) Ein tolles Einstiegsbuch mit vielen Literaturverweisen auf die verschiedenen Quellen, wenn es um die Charakterbildung und Psyche geht. Spannend ist dabei das Konzept, dass man verschiedene Interessen im eigenen Charakter vereint die auch gegeneinander kämpfen und in verschiedene Richtungen streben. Es gibt mit Richard David Precht auch interessante Interviews auf Youtube zu sehen wie zB. mit das mit Peter Voß. Generell ist es mir eine Freude Precht eine Freude zuzuhören, da der Mann eine sehr angenehme aber auch klare Art hat sich zu artikulieren.

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Ich stöberte schon als 16-Jähriger gerne in Psychologie- und Philosophiebüchern. Das bildet für mich die Grundlage mit möglichst gut auf Herausforderungen vorzubereiten. Funktioniert häufig aber manchmal auch nicht – wie zB. im Karibikurlaub.

Seien Sie sich bewusst: Die richtigen inneren und äußeren Zustände vorausgesetzt, wird der Moment kommen, in dem Sie wie ein Dummkopf handeln. Sie haben es in der Hand, die Möglichkeiten zum Dummkopf zu werden so unwahrscheinlich wie möglich zu machen.

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